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Bei Ischias-Schmerzen ist meist die Po-Muskulatur verspannt. Dabei drückt der Piriformis-Muskel auf den Ischiasnerv. Das wird oft übersehen.

Februar 2022
Aktualisiert: April 2025

Die wenigsten Menschen kommen auf die Idee, dass Rückenschmerzen vom Hintern verursacht werden. Doch es gibt Studien, die genau das nahelegen. Das Phänomen heisst Piriformis-Syndrom oder Tiefer-Gesässmuskel-Syndrom.

Was ist der Ischiasnerv?

Der Ischiasnerv (medizinisch Nervus ischiadicus) ist der mächtigste Nerv unseres Körpers. Er beginnt am unteren Ende der Wirbelsäule und zieht durch das Becken über die Rückseite des Oberschenkels bis hinunter in Unterschenkel und Fuss​. Stellen Sie sich einen dicken Kabelstrang vor, der vom Rücken ins Bein führt. So ungefähr können Sie sich den Ischiasnerv vorstellen. Er versorgt die Muskeln und Hautareale der Beine mit Nervenimpulsen. Normalerweise bemerken wir ihn gar nicht.
 

Problematisch wird es erst, wenn dieser Nerv irgendwo eingeengt oder gereizt wird. Dann entstehen die typischen Ischias-Schmerzen: ein einschiessender Schmerz, der vom Gesäss ins Bein strahlt. Oft kommen auch Kribbeln oder Taubheitsgefühle im Bein dazu, weil die Nervensignale nicht ungestört fliessen können​.

Wo kann der Nerv eingeklemmt werden?

Häufig passiert das an der Wirbelsäule, zum Beispiel durch einen Bandscheibenvorfall, der auf die Nervenwurzel drückt. Aber der Ischiasnerv verläuft auch tief im Gesäss an einigen Muskeln vorbei. Und genau dort kann im wahrsten Sinne des Wortes der Schuh drücken: ein Muskel im Becken/Gesäss-Bereich kann den Nerv quetschen und ähnlich starke Schmerzen verursachen.

Dies wird oft als „Piriformis-Syndrom“ bezeichnet, benannt nach dem verantwortlichen Muskel.

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Der Piriformis-Muskel: kleiner Muskel, grosse Wirkung

Der Piriformis (lateinisch für „birnenförmig“) ist ein relativ kleiner, flacher Muskel tief in der Hüft- und Gesässmuskulatur. Er liegt direkt unter dem grossen Gesässmuskel (Gluteus Maximus) und verbindet das Kreuzbein (unterer Teil der Wirbelsäule) mit dem Oberschenkelknochen. Seine Aufgabe ist vor allem, das Bein nach aussen zu drehen und das Hüftgelenk zu stabilisieren. Man könnte ihn als einen der äusseren Hüft-Stabilisatoren bezeichnen.
 

Das Besondere, und in unserem Zusammenhang Problematische, ist die Lage dieses Muskels in Bezug auf den Ischiasnerv. Der Ischiasnerv tritt aus dem Becken aus und läuft direkt unterhalb des Piriformis-Muskels ins Bein. Platz ist an dieser Stelle wenig vorhanden (im Becken gibt es eine knöcherne Öffnung, das grosse Sitzbeinloch, durch die Nerv und Muskeln zusammen hindurchlaufen).
 

Wenn der Piriformis-Musel nun anschwillt, sich verhärtet oder verkrampft, wird es eng für den Nerv: Der Muskel drückt auf den darunter liegenden Ischiasnerv. Man spricht dann vom Piriformis-Syndrom​. Der Nerv mag solchen Druck gar nicht und reagiert mit Schmerzsignalen.
 

Studien zeigen, dass etwa 6-8 % aller Ischias-ähnlichen Schmerzen ihre Ursache im Piriformis-Muskel haben. Das klingt nach wenig, ist aber durchaus beachtlich. Immerhin fast jeder 10. Ischiasfall. In den übrigen Fällen sind meist Bandscheiben oder andere Strukturen schuld.
 

Dennoch wird das Piriformis-Syndrom oft übersehen, weil man bei Ischiasbeschwerden zuerst an die Bandscheibe denkt. Deshalb lohnt es sich, diesen Muskel als Übeltäter im Hinterkopf zu behalten, vor allem wenn keine offensichtliche Wirbelsäulenursache gefunden wird.

Warum reizt der Piriformis den Ischiasnerv?

Wie kommt es überhaupt dazu, dass der Piriformis-Muskel sich so unglücklich verhält? Im Grunde sind es die gleichen Faktoren, die auch sonst zu Muskelverspannungen führen, nur dass es hier an einer fiesen Stelle passiert.

Langes Sitzen und Fehlhaltungen

Unser moderner Alltag ist leider ein Gesäss-Killer. Stundenlanges Sitzen am Schreibtisch, im Auto oder auf dem Sofa führt dazu, dass der Piriformis ständig verkürzt und unter Spannung steht​. Durch die Sitzhaltung ist der Muskel quasi dauerangeschaltet. Mit der Zeit kann das zu einer chronischen Verspannung führen.
 

Hinzu kommt: Bei langem Sitzen lastet das Gewicht des Oberkörpers auf dem Becken und damit indirekt auch auf den Gesässmuskeln​. Der Piriformis wird dabei gequetscht und schlecht durchblutet.
 

Die Folge: Der Muskel wird unnachgiebig und dicker. In ungünstigen Fällen drückt er dann auf den Ischiasnerv und das Sitzen wird zur Schmerz-Ursache. Insbesondere wenn Sie oft mit gekipptem Becken oder schlechter Haltung sitzen, steigt das Risiko.

Ein typisches Beispiel ist auch das Sitzen auf einer dicken Geldbörse in der Gesässtasche: Dadurch wird eine Gesässhälfte dauerhaft gedrückt und der Piriformis gereizt (man spricht im Volksmund vom “Hip-Pocket-Syndrom”).

Überlastung beim Sport oder körperlicher Arbeit

Der Piriformis ist zwar klein, aber er muss kräftig arbeiten, wenn Sie z.B. viel bergauf laufen, springen oder abrupt seitliche Bewegungen machen (Tennis, Squash etc.). Plötzliche extreme Belastungen oder falsche Bewegungsmuster können dazu führen, dass der Muskel zerrt oder verkrampft.
 

Ein harter Aufprall wie ein Sturz auf den Hintern kann den Piriformis ebenfalls verletzen oder irritieren. Solche Verletzungen oder Mikrotraumata führen dann zu Entzündungsreaktionen im Muskel, der anschwellen kann​. Und wieder ist der Ischiasnerv der Leidtragende, wenn es eng wird.

Einseitige Belastungen und Haltungsprobleme

Niemand steht perfekt symmetrisch oder bewegt sich ganz ausgewogen, aber grosse Schiefstände können Probleme machen. Ein Beckenschiefstand oder eine Beinlängendifferenz zum Beispiel können dazu führen, dass eine Seite des Piriformis ständig mehr arbeiten muss.
 

Auch wer immer nur auf einer Seite schläft oder einseitig schwere Taschen trägt, belastet bestimmte Muskeln über. Solche chronischen Überlastungen lassen Muskeln verkürzen und verhärten. Der Piriformis, als Teil dieser Kette, kann dann ebenfalls zum Dauerknoten werden und Druck auf den Nerv ausüben.

Woran erkennt man ein Piriformis-Syndrom?

Die Beschwerden eines Piriformis-Syndroms ähneln denen eines „klassischen“ Ischias durch einen Bandscheibenvorfall, da der gleiche Nerv betroffen ist. Dennoch gibt es kleine Unterschiede, auf die man achten kann.
 

Beim Piriformis-Syndrom stehen Gesässschmerzen im Vordergrund. Der Schmerzpunkt liegt oft seitlich oben am Gesäss, ziemlich genau dort, wo der Piriformis verläuft.
 

Rückenschmerzen sind weniger ausgeprägt oder fehlen, dafür tut das Gesäss weh und der Schmerz strahlt hauptsächlich in den hinteren Oberschenkel aus, manchmal bis in die Wade.
 

Charakteristisch: Beim Sitzen verschlimmern sich die Schmerzen deutlich​. Warum? Weil man genau auf dem gereizten Muskel/Nerv-Bereich sitzt und ihn dadurch noch mehr unter Druck setzt. Ein Bandscheibenvorfall hingegen verursacht oft auch im Liegen oder bei bestimmten Bewegungen Schmerzen, unabhängig vom reinen Sitzen.
 

Ein weiteres Indiz: Drückt man mit dem Finger tief in die seitliche Gesässmuskulatur (dort wo der Piriformis ist), kann das beim Piriformis-Syndrom einen lokal stechenden Schmerz auslösen, während dieser Druck bei Ischias durch Bandscheibe weniger spezifisch schmerzt. Manche berichten auch, dass der Schmerz beim Überkreuzen der Beine oder beim in-die-Hocke-Gehen auftritt.
 

Wenn Ihr Hauptschmerz im Po sitzt und im Sitzen schlimmer wird, der Rücken aber relativ ok ist, spricht das eher für ein Piriformis-Problem. Ist der untere Rücken stark betroffen und das Bein dauerhaft heftig schmerzhaft, denkt man eher an die Bandscheibe. Absolute Gewissheit bringt aber oft erst eine Untersuchung.

Therapiemöglichkeiten

Wer den Verdacht hat, dass die Pomuskulatur Verursacher der Schmerzen ist, wendet sich am bestern an seine Hausärzt:in. Sie/er wird Sie in eine Physiotherapie oder medizinische Massage überweisen. Die Therapie besteht aus Bewegung, Lockerung, Dehnung und/oder Triggerpunktmassage und Dry Needing sowie Kräftigung der abgeschwächten Muskulatur. Die Therapeut:in wird auch alle benachbarten Muskeln prüfen und gegebenenfalls lockern, da sie oft mitbeteiligt sind. Der gequetschte Ischiasnerv wird durch die Therapie möglichst vom Druck befreit, und die Symptome bessern sich.

Längerfristig ist das Beheben der Ursache für den verspannten Piriformis wichtig.

Betroffene können den Piriformis-Muskel zu Hause mit einfachen Dehn-Übungen entspannt und elastisch halten und so möglichst ohne Schmerzen leben.

Übung 1

Hol das Bein ran

Im ersten Schritt nehmen Sie die Grundposition ein: Legen Sie sich auf den Rücken und stellen Sie die Füsse auf, so dass die Knie angewinkelt sind. Nun wird das linke Knie mit beiden Händen fest umschlossen und zur linken Schulter herangezogen - natürlich nur so weit wie möglich. Diese Position für 30 Sekunden halten. Insgesamt drei Durchgänge sollten es sein, danach das Bein wechseln. Zum Abschluss der Übung beide Knie zur gleichen Zeit zu den Schultern ziehen.

Übung 2

Mach einen Knoten

Nehmen Sie auch hier die Grundposition ein (Rückenlage mit aufgestellten Beinen). Legen Sie den rechten Fuss auf das linke Knie. Mit beiden Händen wird das linke Bein, knapp unterhalb der Kniekehle, umschlossen. Ziehen Sie das linke Bein jetzt etwas zum Körper heran. In der Gesässmuskulatur ist nun eine Spannung zu spüren. Die Position eine Minute halten, um dann auf das andere Bein zu wechseln. Insgesamt zwei Durchläufe pro Bein sind empfehlenswert.

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Übung 3

Streck, was das Zeug hält

Hier wird von der vorherigen Grundposition abgewichen. Begeben Sie sich auf die Knie und beugen Sie sich langsam nach vorne. Das Gesäss rutscht auf den Füssen und die Handflächen berühren lang ausgestreckt mit den Innenseiten die Übungsmatte. Diese Position zwei Minuten halten und danach einmal wiederholen.


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