Als "Ischias" bezeichnet man im Volksmund Kreuzschmerzen, die bis in die Beine ausstrahlen.

April 2025

Was ist der Ischiasnerv und warum kann er Probleme bereiten?

Der Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) entsteht aus mehreren Nervenwurzeln des Lenden-Kreuzbein-Bereichs. Mit fast fingerdicker Stärke ist er der kräftigste Nerv des menschlichen Körpers. Er beginnt in der unteren Lendenwirbelsäule (LWS), läuft über das Gesäss und die Rückseite des Oberschenkels bis in die Kniekehle. Dort teilt er sich in zwei Hauptäste auf, die bis in Unterschenkel und Fuss ziehen.

Der Ischiasnerv steuert grosse Teile der Beinmuskulatur und leitet Empfindungen (z. B. Berührung, Schmerz, Temperatur) aus dem Bein zum Rückenmark und ins Gehirn weiter. Eine Schädigung oder Reizung führt daher zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen und manchmal zu motorischen Ausfällen (Lähmungen).

Ursachen und Risikofaktoren

Mechanische Ursachen

  1. Bandscheibenvorfall (Diskushernie): Eine der häufigsten Ursachen für Ischias Schmerzen. Beim Vorfall (Hernie) drückt ausgetretenes Bandscheibenmaterial auf die Nervenwurzeln und löst stechende oder brennende Schmerzen aus.

  2. Bandscheibenvorwölbung (Protrusion): Die Bandscheibe ist noch intakt, wölbt sich aber vor und reizt somit den Nerv.

  3. ISG-Blockaden: Das Iliosakralgelenk verbindet das Kreuzbein mit dem Becken. Blockaden können Schmerzen auslösen, die bis ins Bein ausstrahlen.

  4. Piriformis-Syndrom: Ein verhärteter oder angespannter Piriformis-Muskel klemmt den darunter verlaufenden Ischiasnerv ein - oft durch langes Sitzen oder einseitige Belastung verursacht.

  5. Muskuläre Dysbalancen: Ungleichgewichte in der Rumpf- und Hüftmuskulatur können zu Fehlbelastungen führen, was wiederum den Nerv reizt.

Andere Faktoren

  • Entzündungen und Infektionen: Viruserkrankungen (z. B. Herpes zoster) oder Bakterien können Nervenentzündungen hervorrufen.

  • Diabetes: Langfristig kann es zu Nervenschäden (Neuropathie) kommen, die den Ischiasnerv beeinträchtigen.

  • Rheumatische Erkrankungen: Gelenkentzündungen im Bereich von Wirbelsäule oder Becken erhöhen das Ischiasrisiko.

  • Schwangerschaft: Hormonelle Veränderungen und das wachsende Gewicht verschieben den Körperschwerpunkt und können den Ischiasnerv einengen.

  • Übergewicht: Erhöhter Druck auf die Wirbelsäule fördert Bandscheibenprobleme.

  • Stress: Psychische Faktoren tragen zur Muskelverspannung bei und können Schmerzen aufrechterhalten oder verstärken.

Risikogruppen

  • Schwangere: Durch Gewichtszunahme und gelockerte Bänder eher anfällig für ISG-Blockaden.

  • Ältere Menschen: Degenerative Veränderungen (Verschleiss) fördern Bandscheibenschäden.

  • Sitzende Berufe: Fehlhaltungen und zu wenig Bewegung belasten Bandscheiben und Muskeln.

  • Körperlich belastende Berufe: Ständiges Heben schwerer Lasten begünstigt Bandscheibenvorfälle und -vorwölbungen.

Symptome und Diagnose

Was ist der Unterschied zwischen „normalen“ Rückenschmerzen und Ischias-Schmerzen?

  • „Normale“ Rückenschmerzen: Sind häufig lokal begrenzt auf die Lendenwirbelsäule bzw. den Kreuzbereich. Diese Form der Schmerzen bezeichnet man auch als Lumbago oder Hexenschuss.

  • Ischias-Schmerzen: Gehen von der Kreuzgegend aus und strahlen (meist einseitig) über das Gesäss bis ins Bein aus. Bei stärkerer Kompression (z. B. durch eine Bandscheibenhernie) kann der Schmerz sogar bis zum Fuss hinunterziehen.
     

Mischformen sind möglich, wenn lokale Rückenschmerzen zusätzlich in den Ischiasbereich ausstrahlen oder mehrere Strukturen (Wirbelgelenke, Bandscheiben, Muskulatur) gleichzeitig betroffen sind.

Was sind typische Ischias Symptome?

  • Stechender oder brennender Schmerz, ein- oder beidseitig, entlang des Nervverlaufes

  • Taubheitsgefühle oder Kribbeln (Missempfindungen) im Gesäss, Bein oder Fuss

  • Verstärkte Schmerzen beim Husten, Niesen oder Pressen (erhöhter Druck im Wirbelkanal)

  • Schonhaltungen mit seitlicher Neigung des Oberkörpers

  • Potenzielle Lähmungserscheinungen (z.B. Fussheberschwäche)

Chiropraktische / Manuelle Tests

  • Anamnese: Befragung zum Schmerzverlauf, Lokalisation, Auslösern.

  • Funktionsprüfung: z. B. Lasègue-Test, bei dem das gestreckte Bein angehoben wird, um eine eventuelle Nervenwurzelreizung festzustellen.

  • Palpation & Mobilitätstests: Ertasten von Verspannungen, Blockaden oder Bewegungseinschränkungen.

  • Neurologische Untersuchung (Reflexe, Kraft und Sensibilität)

  • ISG-Tests: Spezielle Griffe, um Störungen im Iliosakralgelenk zu identifizieren.

Was sind typische Fehldiagnosen?

Oft werden chronische Rückenschmerzen diagnostiziert, obwohl eigentlich ein Ischias-Problem aufgrund einer Nervenwurzelkompression (Diskushernie) vorliegt. Anhand von Sensibilitätsstörungen, Kraftverlust und Reflexabweichungen können Spezialisten jedoch eine korrekte Ischias-Diagnose stellen. Die definitive Diagnose einer Bandscheibenhernie erfolgt in der Regel mit einer MRT-Untersuchung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Ischias Schmerzen?

Konservative Therapie

Chiropraktische Ansätze

  • Manipulationsbehandlung: Chiropraktor:innen lösen mit gezielten Griffen Blockaden in Wirbelsäule oder ISG.

  • Mobilisationstechniken: Sanfte, wiederholte Bewegungen verbessern die Gelenkbeweglichkeit.

  • Dehnungen (Piriformis): Spezifische Dehnübungen für die Gesässmuskulatur können bei einem eingeklemmten Ischiasnerv helfen.

  • Ganzheitlicher Ansatz: Chiropraktor:innen betrachten den Bewegungsapparat als Gesamtsystem. Eine Blockierung in einem Gelenk kann Fehlhaltungen und Überbelastungen in anderen Bereichen nach sich ziehen.

  • Beratung in Bezug auf rückengerechtes Verhalten und alltäglicher Gewohnheiten.

Medikamente:


  • NSAR (Ibuprofen, Diclofenac) gegen Schmerzen und Entzündungen.

  • Muskelrelaxanzien zur Linderung von Verspannungen


Vorsicht bei Langzeitanwendung (Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden sind möglich).
 

Wärmeanwendungen oder Kältetherapie:


  • Wärme (Wärmepflaster, warme Bäder) entspannt Muskulatur.

  • Kälte (Kühlpads) kann Schwellungen verringern und Schmerzen dämpfen.
     

Schonung vs. Bewegung:


  • Keine strikte Bettruhe, da dies zu Muskelabbau führt.

  • Moderates Bewegen unterstützt die Durchblutung und Heilung.

Neue bzw. zusätzliche Behandlungsmethoden

  • Dry Needling: Ähnlich der Akupunktur - es werden Triggerpunkte in der Muskulatur mittels feiner Nadeln gelockert.

  • Stosswellentherapie: Schallwellen regen die Durchblutung und den Stoffwechsel an, um hartnäckige Verspannungen oder Sehnenansätze zu behandeln.

  • Taping: Elastische Klebebänder werden auf die Muskulatur geklebt, um die Durchblutung zu verbessern und unterstützend zu wirken.

  • Infiltration: Bei Bedarf können in Zusammenarbeit mit Ärzt:innen gezielte Injektionen (Lokalanästhetika, Cortison) direkt an die Nervenwurzel verabreicht werden, um starke Schmerzen zu lindern.

Physiotherapie und Bewegung

  • Kräftigung und Stabilisierung: Übungen für Rumpf- und Hüftmuskulatur, um die Wirbelsäule zu stützen.

  • Haltungsschulung: Aufrechte Sitz- und Stehposition minimiert den Druck auf die Bandscheiben.

  • Alltagsbewegungen: Training, wie man rückengerecht hebt, bückt und trägt (z. B. aus den Knien heraus anheben).

Ergänzende Massnahmen

  • Akupunktur und TENS: Akupunktur stimuliert bestimmte Punkte, TENS arbeitet mit sanften elektrischen Impulsen.

  • Massage und Osteopathie: Können Verspannungen lösen und Bindegewebe lockern.

  • Psychologische Ansätze: Stressbewältigung, Entspannungsverfahren (z. B. Progressive Muskelentspannung) und Angstabbau können den Heilungsverlauf positiv beeinflussen.

  • Ernährung und Gewichtsmanagement: Ein normales Körpergewicht entlastet Wirbelsäule und Gelenke.

Operative Therapien

Bei massiver Nervenkompression, starken Lähmungen oder Funktionsausfällen kann eine Operation (z. B. Mikrodisektomie) nötig sein. Die meisten Ischias-Fälle lassen sich konservativ behandeln. Operationen kommen nur bei schweren Verläufen oder Therapieresistenz infrage.

Verlauf und Prognose

Akuter vs. chronischer Ischiasverlauf

  • Akut: Tritt oft plötzlich auf (z. B. nach einer ruckartigen Bewegung) und bessert sich in vielen Fällen innerhalb weniger Wochen - vorausgesetzt, Sie befolgen konservative Massnahmen wie moderate Bewegung, Wärme oder gezielte Übungen.

  • Chronisch: Dauern die Schmerzen länger als 12 Wochen an oder kehren sie regelmässig wieder, spricht man von einer chronischen Ischialgie. Hier ist meist ein umfassendes Konzept nötig, einschliesslich Physiotherapie, chiropraktischer Behandlung und ggf. psychologischer Unterstützung.

Mögliche Langzeitfolgen

Wird eine komprimierte Nervenwurzel (z. B. durch einen Bandscheibenvorfall) nicht rechtzeitig entlastet, kann das Nervengewebe dauerhaft geschädigt werden. Die Folgen sind:
 

  • Kraftverlust in der Beinmuskulatur.

  • Sensorische Ausfälle (Taubheitsgefühle oder Kribbeln bleiben).

  • Schwere Funktionsstörungen bei Blasen- oder Darmkontrolle (Red Flags).


In solchen Fällen ist ein sofortiger Arzt- oder Chiropraktikerbesuch dringend anzuraten. Bei anhaltenden Schmerzen und Ausfällen ist eine fundierte Diagnosestellung mit MRT unabdingbar, um langfristige Schäden zu verhindern.

Wann sollte man zum Arzt bzw. Chiropraktiker?

Bei folgenden Warnsignalen sollten Sie nicht zögern, und umgehend professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen:
 

  • Taubheit, Lähmungen, Inkontinenz

  • Starke, sich verschlimmernde Schmerzen trotz Selbstbehandlung

  • Plötzliche Blasen- oder Mastdarmstörungen

Wie kann man Ischias-Schmerzen vorbeugen?

Viele Rücken- und Ischias-Probleme entstehen durch einen Bewegungsmangel oder einseitige Belastungen. Chiropraktor:innen empfehlen, regelmässig Sport oder sanfte Bewegungsformen (z. B. Yoga, Walking, Schwimmen) durchzuführen.

Auch kleine Ausgleichsübungen im Alltag, wie das kurze Strecken und Lockern beim Sitzen, beugen Verspannungen vor. Wer bereits Ischias-Beschwerden hat, sollte sich individuell beraten lassen, welche Übungen und Sportarten am besten geeignet sind.

Rückenfreundliches Verhalten

Ergonomie am Arbeitsplatz:
 

  • Auf richtige Schreibtisch- und Stuhlhöhe achten.

  • Bildschirm auf Augenhöhe platzieren, um Nackenbelastung zu reduzieren.
     

Pausen und kleine Übungen: Jede Stunde kurz aufstehen, die Beine lockern und Rückenmuskulatur dehnen.

Richtiges Heben und Tragen

  • Grundstellung: Gehen Sie leicht in die Knie, halten Sie den Rücken gerade und spannen Sie Ihre Bauchmuskeln an.

  • Symmetrisch belasten: Lasten möglichst nah am Körper tragen und auf beide Seiten verteilen.

Schlafposition

  • Matratzenwahl: Mittelfeste Matratze für eine stabile Lage der Wirbelsäule.

  • Kissen: Achten Sie auf angemessene Höhe und Stützkraft.

  • Seitenlage mit Kissen zwischen den Knien: Unterstützt eine neutrale Becken- und Wirbelsäulenhaltung.