Rückenschmerzen im unteren Rücken: Ursachen und Behandlung
Rückenschmerzen im unteren Rücken, medizinisch auch als Kreuzschmerzen oder Lumbalgien bezeichnet, gehören zu den häufigsten Beschwerden überhaupt. Fast jeder Mensch macht im Laufe seines Lebens mindestens einmal Bekanntschaft mit diesen oft quälenden Schmerzen. Besonders betroffen ist dabei der Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS), weshalb Fachpersonen auch vom LWS-Syndrom sprechen.
Anders als Schmerzen im oberen Rückenbereich, die oft mit Nackenverspannungen und Kopfschmerzen einhergehen, konzentrieren sich Kreuzschmerzen auf den unteren Rücken: jenen Bereich, der die Hauptlast unseres Körpergewichts trägt. Diese Schmerzen können dumpf und ziehend sein oder als akuter, stechender Schmerz auftreten, der die Beweglichkeit erheblich einschränkt.
Mai 2025

Die Anatomie der Lendenwirbelsäule
Aufbau und Funktion des unteren Rückens
Die Lendenwirbelsäule (LWS) besteht aus fünf kräftigen Wirbelkörpern (L1 bis L5), die durch elastische Bandscheiben miteinander verbunden sind. Diese Bandscheiben wirken als natürliche Stossdämpfer und ermöglichen die Beweglichkeit der Wirbelsäule.
Die LWS befindet sich im unteren Rumpfbereich auf Höhe der Taille und geht unten in das Kreuzbein (Becken) über.
Eine anatomische Besonderheit der Lendenwirbelsäule ist ihre natürliche Krümmung nach vorne, die sogenannte Lordose. Diese Krümmung ist wichtig für die Federungsfunktion der Wirbelsäule und verteilt die Belastung beim Gehen und Stehen.
Warum ist der untere Rücken besonders anfällig auf Rückenschmerzen?
Die Lendenwirbelsäule ist aus mehreren Gründen besonders anfällig für Beschwerden:
Hohe Belastung: Durch den aufrechten Gang lastet ein Grossteil des Körpergewichts auf der LWS. Bei falschen Bewegungen oder beim Heben schwerer Gegenstände kann die Belastung auf die Bandscheiben ein Vielfaches des eigentlichen Gewichts betragen.
Grosse Beweglichkeit: Die LWS ermöglicht Beugung, Streckung und Rotation des Rumpfes, was sie mechanisch anfälliger macht.
Fehlende Stabilisierung: Anders als die Brustwirbelsäule wird die LWS nicht durch den Brustkorb stabilisiert.
Nervenbahnen: Wichtige Nervenstränge, insbesondere der Ischiasnerv, verlaufen in diesem Bereich und können bei Reizung starke ausstrahlende Schmerzen verursachen.
Alterungsprozesse: Mit zunehmendem Alter verlieren die Bandscheiben Flüssigkeit und werden flacher, was die Belastung auf die Wirbel erhöht.
Häufigkeit und Risikofaktoren
Kreuzschmerzen sind die häufigste Form von Rückenschmerzen. Verschiedene Faktoren erhöhen das Risiko für Schmerzen im unteren Rücken:
Bewegungsmangel: Eine schwache Rücken- und Bauchmuskulatur bietet der Wirbelsäule weniger Halt.
Übergewicht: Zusätzliches Körpergewicht belastet die Lendenwirbelsäule dauerhaft.
Schwere körperliche Arbeit: Berufe mit viel Heben, Tragen oder Arbeiten in Zwangshaltungen belasten den Rücken stark.
Sitzende Tätigkeiten: Langes Sitzen ohne Ausgleichsbewegung führt zu Verspannungen und Fehlhaltungen.
Psychische Faktoren: Stress und psychische Belastungen können zu erhöhter Muskelspannung führen.
Rauchen: Nikotin verschlechtert die Durchblutung und damit die Nährstoffversorgung der Bandscheiben.
Fachpersonen unterscheiden zwischen spezifischen und unspezifischen Kreuzschmerzen. Bei unspezifischen Schmerzen (etwa 85-90 Prozent der Fälle) lässt sich keine eindeutige strukturelle Ursache finden. Sie entstehen meist durch funktionelle Probleme wie Muskelverspannungen oder Fehlhaltungen. Spezifische Kreuzschmerzen hingegen haben eine klar diagnostizierbare Ursache wie einen Bandscheibenvorfall oder ein Wirbelgleiten.
Typische Alltagsauslöser für Rückenschmerzen
Viele Betroffene können den Auslöser ihres Schmerzes auf eine scheinbar banale Situation zurückführen:
Schweres Heben in Rundrücken-Haltung: Ein Blumentopf, ein Umzugskarton oder das Kleinkind auf dem Arm: Wird die Last weit vorne und mit gebeugtem Oberkörper angehoben, schiesst ein Vielfaches des tatsächlichen Gewichts in die Bandscheiben.
Stundenlanges Sitzen: Im Büro, im Auto oder vor dem Fernseher verkürzt sich der Hüftbeuger, während die Rückenmuskeln in Dauerspannung verharren. Wird man dann abrupt aktiv, meldet sich das Kreuz.
Gebücktes oder verdrehtes Arbeiten: Gartenarbeit, Pflegeberufe oder Monteurarbeiten am Boden bringen die Wirbelsäule in Zwangshaltungen. Ohne Ausgleich wird jede zusätzliche Drehung zur Stolperfalle.
Plötzliche Dreh- oder Streckbewegungen: Ein schneller Blick über die Schulter, ein ruckartiges Aufrichten beim Sport, und der Hexenschuss ist da.
Symptome bei Schmerzen im unteren Rücken
Die Symptome bei Kreuzschmerzen können vielfältig sein und geben oft Hinweise auf die zugrundeliegende Ursache:

Lokale Schmerzen
Die häufigste Form sind dumpfe, ziehende Schmerzen, die auf den unteren Rückenbereich begrenzt sind. Diese treten typischerweise bei Bewegungen auf oder verstärken sich dabei. Oft sind sie mit tastbaren Muskelverhärtungen (Hartspann) verbunden und bessern sich in Ruhe oder bestimmten Entlastungspositionen.
Ausstrahlende Schmerzen
Wenn Nervenwurzeln gereizt oder komprimiert werden, können Schmerzen in andere Körperregionen ausstrahlen:
Ischias-Schmerz: Strahlt vom unteren Rücken über das Gesäss bis in die Beine aus, oft begleitet von Kribbeln oder Taubheitsgefühlen.
Gesässschmerzen: Können auf Probleme im Iliosakralgelenk (ISG) hindeuten.
Leistenschmerzen: Manchmal strahlen Kreuzschmerzen auch in die Leiste aus.
Bewegungseinschränkungen
Typisch sind Einschränkungen der Beweglichkeit, besonders beim Bücken, Drehen oder Aufrichten. Manche Patienten können morgens kaum aus dem Bett aufstehen oder haben Schwierigkeiten, sich nach vorne zu beugen.
Verstärkung durch bestimmte Auslöser
Bei manchen Ursachen verstärken bestimmte Aktivitäten die Schmerzen deutlich:
Husten oder Niesen: Eine Verstärkung der Schmerzen beim Husten oder Niesen deutet oft auf ein Bandscheibenproblem hin.
Langes Stehen oder Gehen: Bei einer Spinalkanalstenose nehmen die Schmerzen typischerweise bei längerem Gehen zu und bessern sich im Sitzen.
Morgensteifigkeit: Anhaltende Steifigkeit am Morgen kann auf entzündliche Prozesse hinweisen.
Warnsymptome
Bestimmte Symptome erfordern sofortige ärztliche Abklärung:
Taubheitsgefühl oder Lähmungserscheinungen in den Beinen
Blasen- oder Mastdarmstörungen (Probleme beim Wasserlassen oder Stuhlgang)
Fieber in Verbindung mit Rückenschmerzen
Ungewollter Gewichtsverlust
Plötzlich einsetzende, sehr starke Schmerzen nach einem Unfall oder bei Osteoporose
Diese Warnsymptome können auf ernsthafte Erkrankungen hinweisen, die umgehend behandelt werden müssen.
Häufige Ursachen und Erkrankungen
Unspezifische Kreuzschmerzen
In etwa 85-90 Prozent der Fälle handelt es sich um unspezifische Kreuzschmerzen ohne eindeutige strukturelle Ursache. Diese entstehen meist durch:
Muskelverspannungen und -dysbalancen
Überlastung der Bänder und Sehnen
Fehlhaltungen und Bewegungsmangel
Stress und psychische Faktoren
Spezifische Ursachen im LWS-Bereich
Bei etwa 10-15 Prozent der Patienten lassen sich konkrete Erkrankungen als Ursache identifizieren:
Bandscheibenvorfall (Prolaps)
Wenn der weiche Gallertkern einer Bandscheibe durch den äusseren Faserring austritt und auf Nerven drückt, entstehen oft starke, ausstrahlende Schmerzen. Typisch ist die Verstärkung beim Husten, Niesen oder Pressen.
ISG-Syndrom (Iliosakralgelenk-Blockade)
Das Iliosakralgelenk verbindet das Kreuzbein mit dem Darmbein. Blockaden oder Fehlstellungen dieses Gelenks verursachen oft einseitige Schmerzen im unteren Rücken und Gesäss, die beim Aufstehen nach langem Sitzen besonders stark sind.
Facettensyndrom (Wirbelgelenk-Arthrose)
Die kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenke) können durch Verschleiss oder Überlastung schmerzen. Typisch sind Beschwerden beim Überstrecken des Rückens und morgens nach dem Aufstehen.
Wirbelkanalstenose
Eine Verengung des Wirbelkanals, meist durch Verschleiss bedingt, führt zu Druck auf Nerven. Charakteristisch sind Schmerzen und Taubheitsgefühle in den Beinen beim Gehen, die sich im Sitzen oder bei vorgebeugter Haltung bessern.
Spondylolisthesis (Wirbelgleiten)
Hierbei verschiebt sich ein Wirbel gegenüber dem darunterliegenden nach vorne. Dies kann angeboren sein oder durch Verschleiss entstehen und führt zu belastungsabhängigen Schmerzen.
Osteoporose
Bei fortgeschrittener Knochenentkalkung können Wirbelkörperbrüche auch ohne grössere Belastung auftreten, was zu plötzlichen, starken Schmerzen führt.
Morbus Bechterew
Diese chronisch-entzündliche Erkrankung betrifft vor allem die Wirbelsäule und das Becken. Typisch sind nächtliche Schmerzen und Morgensteifigkeit, die sich durch Bewegung bessern.
Weniger bekannte Ursachen
Experten weisen darauf hin, dass Rückenschmerzen auch durch Erkrankungen entstehen können, die nicht direkt mit der Wirbelsäule zusammenhängen:
Nierenprobleme: Nierensteine oder -infektionen können sich als einseitige Rückenschmerzen äussern.
Gastrointestinale Erkrankungen: Erkrankungen wie Divertikulitis oder Bauchspeicheldrüsenentzündung können in den Rücken ausstrahlen.
Hormonelle Veränderungen: Bei Frauen können Menstruation oder Wechseljahre Rückenschmerzen verursachen.
Stress und psychische Gesundheit: Psychischer Stress kann zu Muskelverspannungen führen, die Rückenschmerzen verstärken.
Tumore: Selten können Tumore in der Wirbelsäule oder benachbarten Organen Druck auf Nerven ausüben und Rückenschmerzen verursachen.
Was tun bei unteren Rückenschmerzen?
Akutmassnahmen
Bei plötzlich auftretenden Kreuzschmerzen können folgende Massnahmen helfen:
Stufenlagerung: Flach auf den Rücken legen und die Unterschenkel im 90°-Winkel hochlagern, z.B. auf einem Stuhl. Diese Position entlastet den unteren Rücken und kann innerhalb von Minuten zu einer Schmerzlinderung führen.
Wärmeanwendung: Wärmepflaster, Wärmflasche oder Kirschkernkissen entspannen die Muskulatur und verbessern die Durchblutung. Bei akuten Entzündungen kann jedoch Kälte besser wirken.
Schonhaltung vermeiden: Trotz Schmerzen sollte man versuchen, sich moderat zu bewegen, da längere Bettruhe die Beschwerden oft verschlimmert.
Schmerzbehandlung und Physiotherapie
Die Behandlung von Kreuzschmerzen sollte multimodal erfolgen:
Chiropraktik (manuelle Therapie): Spezielle Handgriffe können Blockaden lösen und die Funktion der Wirbelsäule verbessern.
Physiotherapie: Gezielte Übungen unter Anleitung eines Physiotherapeuten können die Muskulatur stärken, Verspannungen lösen und die Beweglichkeit verbessern.
Medizinische Massagen: Professionelle Massagen lösen Verspannungen und fördern die Durchblutung.
Medikamentöse Therapie: Bei starken Schmerzen können entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac) kurzfristig helfen. Diese sollten aber nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.
Ergänzende Therapieoptionen
Je nach individueller Situation können weitere Behandlungsmethoden sinnvoll sein:
Akupunktur: Kann bei manchen Patienten Schmerzen lindern und die Muskelspannung reduzieren.
Injektionstherapie: Bei hartnäckigen Schmerzen können gezielte Injektionen an die Nervenwurzeln (PRT – Periradikuläre Therapie) Entzündungen hemmen und Schmerzen lindern.
Multimodale Schmerztherapie: Bei chronischen Schmerzen kombiniert dieser Ansatz körperliche Übungen, Medikamente und psychologische Unterstützung.
Chiropraktische Behandlung

Die Chiropraktik kann bei spezifischen Problemen wie einem Bandscheibenvorfall oder ISG-Syndrom helfen:
Diagnose und Beurteilung: Chiropraktiker führen eine umfassende Untersuchung durch, um den Zustand der Wirbelsäule zu bewerten.
Manuelle Therapie: Durch präzise dosierte Impulse können blockierte Gelenke gelöst und die Beweglichkeit wiederhergestellt werden. Die Gelenke bleiben dabei immer innerhalb ihrer natürlichen Bewegungsgrenzen.
Weichteiltechniken: Verschiedene Techniken lösen Verspannungen in Muskeln und Faszien.
Individuelle Übungsprogramme: Chiropraktiker entwickeln massgeschneiderte Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur und Verbesserung der Stabilität.
Operative Therapie
Eine Operation sollte nur bei klarer Indikation in Betracht gezogen werden:
Bei einem Bandscheibenvorfall mit fortschreitenden Lähmungen oder Cauda-Syndrom (Notfall)
Bei Wirbelbrüchen mit Instabilität
Bei schwerer Spinalkanalstenose mit deutlichen neurologischen Ausfällen
In den meisten Fällen ist jedoch eine konservative Therapie ausreichend und vorzuziehen.
Übungen: Aktiv das Kreuz stärken
Bevor wir einzelne Übungen vorstellen, gilt: Regelmässigkeit schlägt Intensität. Schon wenige Minuten täglich halten die LWS belastbar.
Drei bewährte Basisübungen
Brücke: Legen Sie sich auf den Rücken, Füsse hüftbreit aufgestellt. Heben Sie Becken und unteren Rücken langsam an, bis Schulter, Hüfte und Knie eine Linie bilden. Kurz halten, absenken. 10–15 Wiederholungen.
Unterarm-Plank: Bauchlage, auf Unterarme und Zehenspitzen stützen. Körper bildet eine gerade Linie, Bauchnabel nach innen ziehen. 20–40 Sekunden halten, 3 Durchgänge.
Katzenbuckel & Pferderücken: Vierfüsslerstand. Beim Ausatmen Wirbelsäule rund machen (Katzenbuckel), beim Einatmen in leichte Hohlkreuz-Position (Pferderücken) gehen. 10–12 Wiederholungen, langsam und fliessend.
Weitere Übungen für die Lendenwirbelsäule finden Sie im Übungsbereich und können als PDF heruntergeladen werden.