Chiropraktik für Kinder und Jugendliche
Oktober 2018
Wieso für Ihr Kind ein Besuch beim Chiropraktor oder bei der Chiropraktorin angezeigt sein könnte
Die Ursachen von Beschwerden der Wirbelsäule im Erwachsenenalter können weit zurück bis ins Kindesalter oder sogar bis zur Geburt gehen. Deshalb befassen sich viele Chiropraktorinnen und Chiropraktoren mit der Untersuchung und der Behandlung von Säuglingen, kleinen Kindern und Jugendlichen. Immer mehr Eltern suchen mit ihren Kindern eine Chiropraktorin oder einen Chiropraktor auf.

Aber wozu genau? Was kann eine Chiropraktorin für Ihr Kind tun? Wie wird das Kind untersucht und wie sieht eine allfällige Behandlung aus? Ist das nur sinnvoll, wenn das Kind Beschwerden hat oder ist unter Umständen auch eine Vorsorgeuntersuchung sinnvoll? Diese Fragen wollen wir mit ein paar Fallbeispielen beleuchten.
Luca, 3 Wochen alt, schreit
Eine Mutter kommt mit ihrem drei Wochen alten Luca zur Vorsorgeuntersuchung. Es ist ihr aufgefallen, dass ihr sonst kerngesundes Baby eine Tendenz hat, den Kopf bevorzugt nach rechts zu drehen und dadurch auch Mühe hat, von ihrer rechten Brust zu trinken. Luca schläft immer mit dem Kopf zur rechten Seite gedreht. Sein Schlaf ist unruhig und er schreit mehr als die Mutter es sich von ihren beiden ersten Kindern gewohnt war.
Die Untersuchung zeigt, dass der Bewegungseinschränkung eine Blockierung eines Gelenkes im oberen Nacken zugrunde liegt. Mit einer sanften Handbewegung mobilisiert die Chiropraktorin dieses Gelenk und spürt unmittelbar danach, wie sich der Kopf des Babys weiter nach links drehen lässt.
Eine Woche später kommt die Mutter mit ihrem Sprössling zur Nachkontrolle. Luca dreht jetzt seinen Kopf problemlos auf beide Seiten. Das Schreien in der Nacht hat aufgehört und er scheint allgemein zufriedener zu sein.
Bewegungseinschränkungen im Nacken von Neugeborenen können bei der Geburt entstehen. Diese Asymmetrie kann dazu führen, dass die motorische Entwicklung des Säuglings empfindlich gestört wird. Durch eine frühzeitige Diagnose und eine sanfte Behandlung kann etlichen damit verbundenen Folgeproblemen vorgebeugt werden. Ein Kontrolltermin beim Chiropraktor mit Ihrem Neugeborenen lohnt sich in jedem Fall. Meistens ist keine Nachbehandlung nötig.

Emma, 8 Jahre alt, stürzt
Emma geht in die dritte Klasse. Beim Spielen auf dem Pausenplatz rutscht sie auf einer Eisfläche aus und fällt aufs Gesäss. Am nächsten Morgen erwacht Emma mit Schmerzen im Gesäss und im Bereich des rechten Schulterblattes. Ihre Eltern schenken dem zuerst nicht sehr viel Beachtung. Drei Tage später klagt sie aber immer noch über Schmerzen im oberen Rücken und jetzt auch über Kopfschmerzen, was noch nie vorgekommen ist. Jetzt entscheidet sich ihr Vater, Emma bei seiner Chiropraktorin anzumelden.
Die Chiropraktorin bespricht mit Laura, was passiert ist und untersucht sie gründlich. Das Gesäss tut Emma inzwischen nicht mehr weh, aber im mittleren Rücken, beim rechten Schulterblatt fühlt sich die Muskulatur völlig verkrampft an. Grund dafür sind blockierte Rippengelenke. Aufgrund dieser Blockierung hat Laura eine Schonhaltung eingenommen und sich zunehmend verspannt. Die Chiropraktorin löst mit ein paar sanften Handgriffen die blockierten Gelenke und massiert die umliegende Muskulatur. Nach drei Folgekonsultationen hat sich die Situation wieder normalisiert. Die Rücken- und Kopfschmerzen sind verschwunden und Laura spielt wieder unbeschwert mit ihren Freundinnen.
Eltern suchen mit ihrem Kind meist einen Chiropraktor auf, wenn es um körperliche Verletzungen irgendwelcher Art geht. Die Blockaden können sich oft in sofortigen Schmerzen oder Symptomen zeigen, müssen dies aber nicht unbedingt. Bei regelmässigen Untersuchungen erkennt der Chiropraktor potentielle Wirbelsäulenverletzungen nach solchen Traumata und kann diese behandeln. Mit einer Behandlung in jungen Jahren können viele gesundheitliche Probleme und Einschränkungen im späteren Leben vermieden werden.

Laura, 13 Jahre alt. Hat sie eine Skoliose?
Laura steckt mitten in der Pubertät. Sie interessiert sich für Pferde und Musik. Ihre Eltern sind zur Zeit etwas mühsam und wollen einfach nicht verstehen, dass der Austausch auf Instagram und Snapchat wichtiger ist, als die lästigen Hausaufgaben. Seit einiger Zeit ist ihrer Mutter aufgefallen, dass Lauras linke Schulter höher steht als die rechte und dass der Rücken irgendwie schräg aussieht. Die Mutter macht sich Sorgen und als Laura dann plötzlich über Rückenschmerzen zu klagen beginnt, meldet sie sie beim Chiropraktor an.
Der Chiropraktor befragt Laura zu ihren Beschwerden und will auch so einiges über ihre Gewohnheiten (z.B. mit dem Handy) wissen. Bei der Untersuchung schaut er genau hin und bemerkt, dass Lauras Wirbelsäule leicht vom Lot abweicht. Er misst deshalb die Wirbelsäule genauer aus und erklärt anschliessend Laura und der besorgten Mutter, dass eine leichte Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) vorliege, dass diese aber unbedenklich sei. Er findet bei der Untersuchung ein paar Blockierungen und ein typisches Verspannungsmuster und empfiehlt eine Behandlungsserie mit fünf chiropraktischen Behandlungen. Bei diesen Konsultationen spricht er mit Laura über ihre Gewohnheiten und gibt ihr Ratschläge, wie sie ihr Handy halten kann, ohne dass ihre Nackenmuskulatur und ihr Rücken gleich rebellieren. Nach abgeschlossener Behandlungsserie empfiehlt der Chiropraktor der Mutter, dass sie für Laura in ca. 6 Monaten einen Kontrolltermin vereinbart um sicher zu gehen, dass die Skoliose nicht zugenommen hat.
Eine Skoliose ist eine S- oder C-förmige Verkrümmung der Wirbelsäule (von hinten betrachtet). Eine leichte Abweichung vom Lot ist harmlos und nur selten mit Schmerzen verbunden. In seltenen Fällen kann diese Verkrümmung jedoch während der Pubertät rasch zunehmen und ernsthaftere Komplikationen verursachen. In solchen Fällen ist es entscheidend, dass die Diagnose frühzeitig gestellt wird und entsprechende Massnahmen eingeleitet werden. Wenn unklar ist, ob es sich bei einer leichten Skoliose um eine fortschreitende Form handelt, sollten in regelmässigen Abständen Kontrollen stattfinden und der Verlauf unter Umständen mit Röntgenaufnahmen überwacht werden.

Wie läuft eine Behandlung bei Kindern ab?
Die Untersuchung und Behandlung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich je nach Alter deutlich von der eines Erwachsenen. Je näher das Kind dem Jugendalter kommt, desto ähnlicher sind die Anamnese, klinische Untersuchung und die Behandlung denen von Erwachsenen.
Im Säuglingsalter (Geburt bis 2 Jahre) und im Kindesalter (3 bis 13 Jahre) spielt die Begleitung durch die Eltern eine zentrale Rolle. Anamnese und Untersuchung werden individuell an das Alter und den Entwicklungsstand des Kindes angepasst. Dabei werden sowohl die altersspezifische Entwicklung als auch mögliche Risikofaktoren berücksichtigt.
Altersgerechte Behandlungstechniken
Auch die Behandlungstechniken unterscheiden sich altersabhängig. Der Chiropraktiker oder die Chiropraktikerin achtet dabei auf die anatomischen und physiologischen Veränderungen während des Wachstums. Intensität, Geschwindigkeit und Kraft der Impulse werden dem jeweiligen Alter angepasst:
Bei Säuglingen erfolgt die Behandlung ausschliesslich durch sanfte Mobilisationen ohne Impuls
Ab dem Kindesalter werden gezielte, sehr sanfte Impulse eingesetzt
Bei Jugendlichen mit altersentsprechender Entwicklung kann, wie bei Erwachsenen, eine Behandlung in normaler Intensität erfolgen

Spezielle Vorsichtsmassnahmen bei jungen Patient:innen
Bei jungen Patient:innen gelten besondere Vorsichtsmassnahmen. Chiropraktiker sind darin geschult, altersentsprechende Risikofaktoren zu kennen und zu erkennen, auch bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen.
Typische Krankheitsbilder nach Altersgruppen
Je nach Altersgruppe treten spezifische Krankheitsbilder auf:
Im Säuglingsalter sind dies zum Beispiel:
Schiefhals
Plagiozephalie (Kopfverformungen)
Ohrdeformitäten
Dreimonatskoliken (Schreikinder)
Stillprobleme
Hüftdysplasie
Im Kindes- und Jugendalter sind es häufig:
Hüftprobleme
Skoliosen
Morbus Scheuermann
Rücken-, Nacken- oder Kopfschmerzen
Schmerzen an Gelenken und Muskeln
Viele dieser Beschwerden sind harmlos und lassen sich gut chiropraktisch behandeln. Dennoch gibt es Fälle, die eine ärztliche Abklärung oder eine sofortige Überweisung, beispielsweise zum Kinderarzt oder in die Notfallaufnahme, notwendig machen. Chiropraktiker sind entsprechend geschult, solche Situationen richtig einzuschätzen und angemessen zu reagieren.
Ab welchem Alter macht ein Besuch beim Chiropraktor Sinn?
Bereits wenige Wochen nach der Geburt können Eltern mit ihrem Kind eine chiropraktische Untersuchung in Anspruch nehmen. Chiropraktiker sind ausgebildet, eine altersgerechte Diagnostik und Behandlung durchzuführen.
Früherkennung im präpubertären Alter
Besonders im präpubertären Alter kann es sinnvoll sein, die Wirbelsäule durch einen Chiropraktor oder eine Chiropraktikerin kontrollieren zu lassen. Hierzu werden beispielsweise die jährlichen "Spine Days" (Rückentage) von ChiroSuisse angeboten, die auf Früherkennung abzielen.
Ein gutes Beispiel ist die Skoliose, eine meist schmerzfreie, seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, die häufig im Jugendalter auftritt, aber auch früher beginnen kann. Da sich die Krümmung im Wachstum verschlimmern kann, ist eine frühzeitige Diagnose entscheidend. Chiropraktiker sind darin geschult, eine mögliche Skoliose zu erkennen und bei Bedarf eine weiterführende Diagnostik (z. B. Bildgebung) oder fachärztliche Abklärung zu veranlassen.
Wichtig zu wissen: Die chiropraktische Behandlung kann das Ausmass der Wirbelsäulenverkrümmung nicht korrigieren. Treten jedoch begleitend Schmerzen, Verspannungen oder funktionelle Blockaden auf, kann eine gezielte Behandlung helfen, Beschwerden zu lindern.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es keine feste Altersgrenze gibt. Kinder jeden Alters können von einer chiropraktischen Untersuchung und, falls notwendig, Behandlung profitieren.
Umgang mit Skepsis von Eltern und Kinderärzten
Aufklärung ist in solchen Fällen besonders wichtig. Viele Eltern und auch Kinderärzte kennen die Chiropraktik nur unzureichend, was zu Unsicherheiten oder Vorbehalten führen kann. Entscheidend ist, dass diese Skepsis offen geäussert werden darf. So kann die Chiropraktor:in gezielt darauf eingehen und informieren.
Ein zentraler Punkt ist dabei das Wissen um die eigenen Grenzen: Chiropraktiker sind im Rahmen ihres sechsjährigen Studiums umfassend darin ausgebildet, Risikofaktoren und Kontraindikationen zu erkennen. Falls notwendig, leiten sie entsprechende weiterführende Schritte ein.
Sicherheit der chiropraktischen Behandlung bei Kindern und Jugendlichen
Wie bei Erwachsenen gilt auch bei Kindern: Chiropraktische Behandlungen sind sicher, wenn sie von qualifizierten Fachpersonen durchgeführt werden. In seltenen Fällen können nach der Behandlung leichte, lokale Beschwerden wie Druckgefühl oder Verspannungen auftreten. Diese sind in der Regel harmlos und klingen meist nach kurzer Zeit von selbst ab.
Ausbildung und Qualifikationen für die Kinderbehandlung
Grundsätzlich sind keine zusätzlichen Ausbildungen nötig: Das sechsjährige Grundstudium der Chiropraktik umfasst das Fachgebiet Pädiatrie sowie eine fundierte Einführung in altersgerechte Behandlungstechniken. Damit sind diplomierte Chiropraktiker qualifiziert, Kinder und Jugendliche zu untersuchen und zu behandeln.
Spezialisierungen für komplexere Fälle
Für komplexere oder seltene Krankheitsbilder ist jedoch eine zusätzliche Spezialisierung sinnvoll und erforderlich. Es gibt entsprechende Weiterbildungen in pädiatrischer Chiropraktik, die vertiefte Kenntnisse und spezifische Techniken vermitteln.
Ein Beispiel dafür ist der 2-jährige Masterstudiengang Advanced Health Chiropractic Paediatrics an der AECC University College in England, der eine vertiefte Spezialisierung auf die Behandlung von Kindern bietet.
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